Sind gerichtliche Sachverständige die Loser der Rechtsprechung und sind Regelwerke Makulatur?
Verkehrssicherungspflicht von Schwimmbadbetreibern
bei nassen Fußböden in Hallenbädern aus Richtersicht
Urteil.
In einem Urteil vom 3. Februar 1999 hat das OLG Celle -9 U 249/98- die Zahlung von Schmerzensgeld an die Klägerin abgewiesen, die auf dem nassen Fußboden(in einer Pfütze) zwischen einer teilweise offenen Duschanlage und dem Tauchbecken zu Fall kam und eine Verletzung am linken Arm erlitt. Die von der Klägerin vertretene Auffassung, dass eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Badbetreiber vorliegt, weil u.a. das in einer umlaufenden Rinne sich sammelnde Wasser nicht schnell genug abfließen könne und die Beseitigung der Nässe durch das Personal nicht in kürzeren zeitlichen Abständen vorgenommen wird, wurde vom Gericht trotz Vorliegens eines entsprechenden Gutachtens nicht geteilt.
Urteilsbegründung:
Nach Auffassung des Gerichts ist dem Badbetreiber keine rechtswidrige Verletzung vertraglicher oder deliktischer Verkehrssicherungspflichten vorzuwerfen. Es fehlt danach an einer Gefahrenlage, der durch weitergehende bauliche Vorkehrungen, als sie verwirklicht sind, oder durch weitergehende Maßnahmen als das praktizierte Wischen während des Badebetriebs begegnet werden müsste.
1. Merkwürdigkeit: Badegäste müssen laut Gericht mit nasse Fußböden (stehendes Wassern, verminderte Rutschhemmung etc. ) rechnen.
Jeder Benutzer eines Schwimmbades bzw. des Nassbereichs einer Saunaanlage muss nach den Darlegungen des Gerichts wissen, dass auf dem Fliesenboden Wasser stehen kann. Der Badegast muss sich auf die dadurch verminderte Bodenhaftung einstellen. Bei ausreichender Beleuchtung sind Wasserpfützen ohne weiteres erkennbar, warnen also vor sich selbst. Sondersituationen können allerdings im Einzelfall gegeben sein, wenn die Rutschgefahr über das Normalmaß hinaus gesteigert ist, weil z. B. Seifenwasser aus dem Duschbereich hinausläuft. Wasserlachen erhöhen für sich genommen nach den Ausführungen des Gerichts im Badebereich nicht signifikant die Rutschgefahr gegenüber einer "einfachen" Bodenfeuchtigkeit.
2. Merkwürdigkeit: Die vom Gutachter festgestellte mangelhafte Fußboden-Oberflächenbeschaffenheit ist laut Gericht nicht zu beanstanden.
Entgegen der Annahme des Sachverständigen legt das Gericht dar, dass die baulichen Gegebenheiten einwandfrei geplant sind und sich in einem verkehrssicheren Zustand befinden. Dies hat der Senat ohne erneute sachverständige Beratung aufgrund eigener Lebenserfahrung festgestellt, die sich aus der Benutzung von Hallenbädern ergibt. Die vom Sachverständigen festgestellten Unterschiede in der Beschaffenheit der Fliesenoberflächen, die sich aus der Verwendung von unverzichtbaren Reinigungsmitteln ergeben, zwingen nicht dazu, den Fliesenbelag nach wenigen Jahren der Benutzung kosten- und zeitaufwendig auszuwechseln, um die Bodenbeschaffenheit wieder an den Urzustand der Fliesenoberfläche heranzuführen, stellte das Gericht weiter fest. Bei Abwägung des Grades an Risikoherabsetzung gegen den Aufwand stünde die Belastung aus einem derartigen Vorgehen außer Verhältnis zu dem angestrebten Ziel.
3. Merkwürdigkeit: Regelwidriges fehlendes Fußbodengefälle mit Pfützenbildung ist laut Gericht kein Mangel.
Ebenso ist das Gericht der Beanstandung des Sachverständigen, das Fehlen eines Gefälles zur zügigen Ableitung des Wassers, nicht gefolgt, sondern hat festgestellt, dass der Betreiber eines Hallenbades keine Vorkehrungen treffen muss, die das Entstehen von Wasserpfützen überhaupt verhindert.
4. Merkwürdigkeit: Der gutachterliche Begründungsvergleich zur Arbeitsstättenrichtlinie ist laut Gericht unzulässig.
Der vom Sachverständigen angestellte Vergleich mit Arbeitsstätten geht nach den Ausführungen des Gerichts von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz aus. In Betrieben gehe es um die Beherrschung, von Gefahrensituationen für Arbeitnehmer, deren Aufmerksamkeit für Gefahrenquellen im Bodenbereich durch Arbeitsvorgänge abgelenkt ist und deren Reaktionsfähigkeit herabgesetzt sein kann. Ein Badbenutzer kann demgegenüber seine volle Aufmerksamkeit auf den bekanntermaßen rutschgefährlichen Boden konzentrieren.
5. Merkwürdigkeit: Das vom Gutachter angeregte zusätzliche Gefälle von 1% (gefordert werden laut Regelwerken sogar mind. 2 %) hat das Gericht abgelehnt
Der vom Sachverständigen angeregte Einbau eines zusätzlichen Gefälles von 1%, das mit dem schon bestehenden Gefälle zu verschränken gewesen wäre, hätte die Schaffung einer ringförmigen Hügellandschaft mit weiteren Höhenunterschieden von 1 cm auf 1 m bedeutet. Dies würde das Gehen erschweren und sogar Stolpergefahren insbesondere für ältere und gehbehinderte Personen mit schlurfendem Gang schaffen, vor allem wenn sich diese mit Hilfe von Deltarädern bewegen. Auf diesen Benutzerkreis hatte sich der Badbetreiber bei der Planung des Bauwerks in dem Thermalkurort nach Darstellung des Gerichts ebenfalls einzustellen.
6. Merkwürdigkeit : Die vom Gutachter angeregte regelmäßige Beseitigung der Nässe hat das Gericht abgelehnt
Auch der von der Klägerin geforderten höheren zeitlichen Frequenz der regelmäßigen Wischvorgänge des Reinigungspersonals zu folgen, sei nach der Entscheidung, des Gerichts nicht geboten gewesen. Dieses ist ebenfalls ein Verlangen, das die Gefahrensituation als solche nicht spürbar abmildern würde.
7. Merkwürdigkeit. Die gerichtliche Begründung.
Völlige Beseitigung der Nässe wäre allenfalls dadurch zu erzielen, wenn das Badepersonal während der Öffnungszeiten permanent mit Wasserschabern tätig wäre, was jedoch angesichts der Beherrschbarkeit der Rutschgefahr durch Eigenvorsorge der Badbenutzer unzumutbar Ist
Textquelle: Fachzeitschrift „Das Schwimmbad und sein Personal“ Redaktion: BMJ mit Hinweis: Datenbank zur Rechtsprechung. Leaut und Überschriften Chr. Saunus.