Ein weiterer Grund für die Aktualisierung des alten Merkblattes aus dem Jahre 1997 ist die Europäische Gerätesicherheits-Norm DIN EN 13451, insbesondere der Normteil 1 und der Normteil 3.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass es die DIN EN 13451 mit den Teilen 1 bis 10 zwar seit 2001 gibt, aber die Norm bis zum Zeitpunkt des tragischen Haaransaug-Todesfalls Mitte 2005 in der Bäderbranche weit gehend unbekannt war. Fakt ist weiterhin, dass man bis dato zwar die Gefahren bei Unterwasseransauganlagen in Schwimm- und Badebecken primär im Bereich des Körperansaugens richtig erkannt hatte. Die lebensgefährlichen Folgen beim Ansaugen von Haaren mit anschließenden Verknotungen wurden hingegen total verkannt bzw. völlig unterschätzt. Faktum ist darüber hinaus, dass es nicht nur im europäischen Ausland immer wieder zu Todesfällen und unzähligen glücklich verlaufenden Ansaugunfällen kommt. Auch bei uns gibt es trotz der bestehenden Vorschriften, Regelungen etc. bedauerlicherweise Unglücksfälle, auch wenn diese nicht so spektakulär in der Presse publiziert werden.
Mit der Neuüberarbeitung des Merkblattes wird nunmehr versucht, den aktuellen Erkenntnissen unter Berücksichtigung der DIN EN 13451, als so genannte Lebensversicherung, entsprechend Rechnung zu tragen. Anmerkung der Redaktion: Warum man im besagten Gremium aufgrund der komplexen Thematik nicht zum Beispiel die auf diesem Gebiet spezialisierten Wasserattraktions- Herstellerfirma Fluvo-Schmalenberg berücksichtigt hat, ist schon merkwürdig. Gleichzeitig dann auch noch auf den präqualifizierten und zugleich praxiserfahrenen Autor, der als ö.b.u.v.-Gutachter mit der lebensgefährlichen Materie bestens vertraut ist, sinnstiftend zu verzichten, obwohl er die tödliche Haaransaugproblematik journalistisch als Erster international publik gemacht hat, ist nicht nur sehr seltsam, sondern auch äußerst befremdend, wie man in der Folge sieht.
Wohl dem, der so viele Sachkenntnisse besitzt, um nicht vom fachkompetenten Wissenstransfer zu partizipieren!
VORSCHRIFTENSPAGAT
Im folgenden Beitrag wird nicht nur allgemein auf das Merkblatt eingegangen, sondern es werden auch solche Aussagen und Textpassagen kritisch hinterfragt, die nach der Prämisse „Anspruch sucht Wirklichkeit“ einer Ergänzung und/oder Kommentierung bedürfen. Dem neuen Merkblatt muss man allerdings, als so genannten Praxis-Lei(d)tfaden zugute halten, dass es neben den aktuellen Erkenntnissen den sehr schwierigen Spagat zwischen dem alten Merkblatt 60.03 und den gültigen Regelungen, Normen etc. bewältigen musste, so wie die folgenden im Merkblatt Absatz 3 genannten „Mitgeltenden Unterlagen“.
• KOK-Richtlinien für den Bäderbau
• Schwimmbad-Norm DIN 19643
• Gemeindeunfallversicherung (GUVR-1/111) Sicherheitsregeln für Bäder
• Europäische Gerätesicherheits-DIN EN 13451
MERKBLATT ABSATZ 5.1.2 „EINSAUGUNGEN“
Mit diesem Absatz sind wir bereits mitten in der vorstehend genannten Recyclingproblematik des alten Merkblattes 60.03.
In beiden Merkblättern sind die freien Ansaugöffnungsquerschnitte bei einer Anordnung der Abdeckungsunterkante bis einschließlich 0,60 Meter unter der Wasserfläche auf 3,0 Millimeter begrenzt und bei der oben genannten Anordnung über 0,60 Meter auf 8,0 Millimeter.
Bei den beiden unterschiedlichen Ansaugöffnungsquerschnitten handelt es sich offensichtlich um eine willkürliche Festlegung ohne wissenschaftlichen oder anderweitigen Berechtigungsnachweis. Denn, warum sollte das Ansauggefahrenpotenzial an der ideologischen Wasserscheide zwischen 0,60 Meter und 0,61 Meter Tiefe eine Vergrößerung der Ansaugöffnung von 3,0 Millimeter auf 8,0 Millimeter hydraulisch logisch bzw. funktionstechnisch plausibel rechtfertigen?
Erschwerend kommt noch hinzu, dass nicht nur die bereits im Merkblatt Absatz 3 zitierten Regelwerke bei Schwimm- und Badebecken generell von max. 8,0 Millimeter Öffnungsgröße respektive Schlitzbreiten ausgehen, sondern sich auch die empirischen Praxiswerte in der Regel gleichfalls auf die besagten 8,0 Millimeter beschränken.
Folglich besteht hier entsprechender technologischer Klärungsbedarf, denn zusätzliche Irritation ist das Letzte, was die Branche in diesem hoch sensiblen Sicherheitsbereich benötigt.
MERKBLATT ABSATZ 5.1.5 „GROSS- UND VOLLFLÄCHIGES VERSCHLIESSEN VON ANSAUGÖFFNUNGEN“
Die fast zwei Seiten umfassenden diversen Berechnungshinweise und Konstruktionsforderungen in allen Ehren, nur: Sollte man das Thema nicht zunächst einmal funktionstechnisch sinnvoll auf den eigentlichen Ausgangspunkt bringen, bevor man eventuell die Aufrüstungsspirale überdreht? Denn der Ausgangspunkt lautet, wie ich meine, entsprechend den Kriterien der Priorität ohne Wenn und Aber: Ansaugungen müssen zunächst einmal haarfangsicher sein und daher ohne irgendwelche faulen Kompromisse den Haarfangtest gemäß DIN EN 13451 Teil 3 bestehen. Schließlich ist der Sicherheitshaartest nicht nur funktionstechnischer Ausgangspunkt, sondern auch Mittel. Punkt!
Das Sicherheits-Hauptaugenmerk liegt zweifelsohne beim Problem der Haaransaugung, so wie es die DIN EN 13451 richtig erkannt hat, indem sie einerseits sehr ausführlich auf die anlagentechnischen Voraussetzungen eingeht und andererseits die Durchführungskriterien des Haarfangtests klar und deutlich definiert. Sind diese Kriterien anlagen- und funktionstechnisch erfüllt, ist in der Regel auch die eventuelle Gefahr des folgenschweren Ansaugens von Körperteilen wohl zunächst weit gehend gebannt. Denn bekanntlich kommt vor der Behandlung die Diagnose!
Daher ist völlig unverständlich, warum man in diesem Zusammenhang die entscheidenden bzw. sehr wichtigen Hinweise bzw. Textpassagen der DIN EN 13451 nicht im Gesamtkontext direkt übernommen oder zumindest durch wörtliches Zitieren von relevanten Satzpassagen mitberücksichtigt hat. Hierzu gehören zum Beispiel die Forderung bzw. Möglichkeit der Anlagenzertifizierung. Hieraus ergeben sich nämlich die folgenden, besonders erwähnenswerten Möglichkeiten sinnvoller Anlagendifferenzierungen:
a) Serienanlagen
Diese Anlagen werden von der Industrie entwickelt, produziert und vertrieben oder gegebenenfalls für den Anlagenbauer entsprechend den Auftraggebervorgaben mit ihren Anlagenkomponenten als Komplettanlagen konfiguriert. Diese Anlagen bzw. Anlagenkonstellationen gibt es bereits teilweise entsprechend den Forderungen der DIN EN 13451 mit Sicherheitszertifizierungen durch autorisierte Prüfinstitute.
b) Individualanlagen
Diese Anlagen werden individuell geplant und/oder von fachkompetenten ausführenden Schwimmbadfirmen eigenverantwortlich realisiert. Hier ist sinnvoller Weise vor der offiziellen Anlagenübergabe eine Prüfung mit Dokumentation durch einen kompetenten Fachmann hinsichtlich der Anlagenausführung und Funktionssicherheit gemäß Merkblatt 60.03 und DIN EN 13451, insbesondere des Haarfangtests, dringend zu empfehlen.
Unter den vorstehenden Aspekten reicht es daher nicht aus, die auch für Deutschland gültige europäische Anlagensicherheits-Norm DIN EN 13451 lediglich mit Querhinweisen zu erwähnen, statt korrekterweise die relevanten Norm-Passagen beim Namen zu nennen bzw. im zweifelsfreien Kontext zu erwähnen.
Alleine schon durch das konkrete Zitieren relevanter Punkte aus der oben genannten Norm, zum Beispiel hinsichtlich der Anlagenausführungen und der Prüfkriterien eines normkonformen Haarfangtests, würde sich sehr vieles im Merkblatt erübrigen. Hierzu zwei nicht unbedingt repräsentative Beispiele:
1. Warum verweist man unter anderem bei Ansaugöffnungen zum Beispiel ohne weitere Info-Hinweise auf problemlösende Wölbungen von mind. 10 Prozent, wenn sich diese Ansaugabdeckungen zwar nicht mit dem Körper, jedoch, je nach Größe, problemlos mit Haaren (je nach Haarlänge und Haardichte) abdecken lassen? Der wörtliche Merkblatt-Hinweis, dass das vollflächige Verschließen sehr kleiner Ansaugöffnungen mit gewölbten Abdeckungen durch Körperteile sehr wahrscheinlich ist, kann nur eine gut gemeinte schwarze Krücke mit gelben Punkten sein.
2. Warum ist im Merkblatt bei vollflächiger Abdeckung der Ansaugöffnung einerseits ein Unterdruck bis 100 mbar erlaubt, andererseits muss lt. DIN EN 13451 Teil 3 bei 10 Haarfang-Testversuchen die Anzeige des Zugmessgerätes < 25 N betragen?
Anmerkungen:
Ob es tatsächlich sinnvoll ist, die aus der griechischen Enzyklopädie kommende Druckbezeichnung ba'ros „schwer“ sowohl im Merkblatt als auch in der DIN mit unterschiedlichen SI-Einheiten zu versehen, sei einmal unkommentiert dahingestellt.
Wenn aber künftig bei der Planung, Ausführung und Inbetriebnahme grundsätzlich zwei völlig separate Prüfungen erforderlich sind, zum einen die vollflächige Unterdruckprüfung mit max. erlaubten 100 mbar und zum anderen der Haarfangtest < 25 N, sollte man dieses auch im gemeinsamen Kontext zweifelsfrei und eindeutig gleichzeitig im Merkblatt für jeden leicht verständlich aufzeigen und nicht mit einem DIN-Querhinweis mehr irritieren, als aufklären. Die verwirrende Vielfalt der geforderten Ansaugprüfmöglichkeiten unter Punkt 5.1.5 und 5.2 geht, wie ich meine, in Richtung Tausend-Euro-Frage.
Hinweis:
Mit dem Einbau eines ganz simplen so genannten Vakuumbrechers in der Pumpensaugleitung, bestehend aus einem über der Wasserfläche endenden offenen Zusatzrohr kann man eventuell Körperansaugprobleme problemlos und zugleich hydraulisch funktionssicher lösen. So einfach ist professioneller Begleitschutz bei Realitätsverlust, denn Praxis ist nicht alles, aber ohne Praxis ist alles nichts .
MERKBLATT ABSATZ 5.2 „KONSTRUKTIVE VORGABEN ANSAUGÖFFNUNGEN /ANSAUGKAMMERN“
In dem oben genannten Absatz heißt es unter anderem wörtlich: „Zwischen der Abdeckung und der Rückwand der Ansaugöffnung/Ansaugkammer muss ein freier Strömungsquerschnitt ausgebildet sein, in dem eine Strömungsgeschwindigkeit von 0,3 m/s nicht überschritten wird. Der Abstand zwischen der Hinterkante-Abdeckung und Vorderkante der Rückwand muss mindestens 10 Zentimeter betragen. Zusätzlich darf dieser Abstand das 1,5fache vom Innendurchmesser der größten, abgehenden Saugleitung aus der Ansaugöffnung/-kammer nicht unterschreiten. Bei Unterschreitung der vorgenannten Mindestabstände besteht die Gefahr, dass die Abdeckungen der Ansaugöffnungen/Ansaugkammern nicht vollflächig, sondern nur punktuell im Bereich der jeweiligen Saugleitungen durchströmt werden.“
Diese ultimativen Forderungen unter Verwendung des Hilfsverbs „muss“ haben nicht nur bei der Schwimmbadindustrie für Kopfschütteln gesorgt. Auch praxiserfahrene Schwimmbadexperten haben sich angesichts der geforderten Zwangsmaßnahmen an den Kopf gefasst und dabei ins Leere.
Bei den ultimativen Merkblattforderungen handelt es sich schließlich um konstruktionsaufwändige sowie kostenträchtige Ansaugeinrichtungen, die obendrein auch noch einen entsprechend zu berücksichtigenden Installationsaufwand benötigen, der nach den bisherigen Praxiserfahrungen weder notwendig noch erforderlich war und dessen Sinnhaftigkeit daher wohl zu Recht in Frage gestellt werden darf.
Bei einem Ansaugrohr, zum Beispiel DN 200, würde demnach die Abstandstiefe innerhalb der Ansaugeinrichtung sage und schreibe ca. 400 mm betragen. Nimmt man die Forderungen des Merkblattes ernst, müsste die Industrie ihre serienmäßig produzierten Ansaugungen trotz nachgewiesenem Haarfangsicherheitstest und im Besitz offizieller Sicherheitszertifizierungen nicht nur komplett umkonstruieren, sondern im Anschluss dann auch nochmals erhebliche Kosten für die erneute Zertifizierung gemäß DIN EN 13451 investieren. Schließlich muss gespart werden, egal was es kostet, außer das Leben!
Sollte sich bei den nunmehr sicherlich von der Industrie unweigerlich durchgeführten Versuchen tatsächlich herausstellen, dass die ultimativen Forderungen des Merkblattes nicht zweifelsfrei fundiert sind und/oder der verlangte Konstruktionsaufwand der Allrounder womöglich gar nicht erforderlich ist, wäre das ein Branchenaffront, der entsprechend zu publizieren wäre bei gleichzeitiger Zwangsentsorgung des Rohrkrepierers auf diffusen Gedankenhalden bzw. Zahlenfriedhöfen. Denn angesichts leerer Kassen ist die Zeit, grüne Bananen zum Reifen auf die Baustellen zu schicken – auf Kosten des Anlagenbauers, versteht sich – inzwischen hoffentlich endgültig vorbei.
MERKBLATT ABSATZ 5.5 „DROSSEL- UND ABSPERREINRICHTUNGEN“
Bei Drosselarmaturen empfiehlt das Merkblatt unter anderem dauerhafte Kennzeichnungen der Einstellung und darüber hinaus Hinweisschilder mit der Aufschrift „Sicherheitsrelevanter Sollwert, Einstellung nicht verändern“ sowie bei Absperreinrichtungen in Ansaugleitungen Hinweisschilder mit der Aufschrift „Sicherheitsrelevante Einrichtung, Absperrung nur bei Außerbetriebnahme der Ansauganlage zulässig“.
In Anbetracht der Tatsache, dass diese Armaturen von sicherheitstechnisch äußerst relevanter Bedeutung sind und der Kenntnis, wie die Praxis in der Regel vor Ort tatsächlich aussieht, wären die zitierten Sicherheitshinweise mit dem Zusatz „Hoffentlich passiert nichts bzw. wer lesen kann, ist im Vorteil“ maximal als schmückendes Beiwerk akzeptabel, ansonsten sind sie völlig unzureichend. Da eine weitestgehende Unfallsicherheit durch die oben genannten Armaturen gewährleistet sein muss, ist es nämlich zwingend notwendig, die besagten Armaturen zusätzlich so fest zu arretieren bzw. stellungsmäßig so zu fixieren, dass nur mit Hilfswerkzeugen eine Betätigung oder Verstellung möglich ist. Alles andere ist theoretisches Wunschdenken und konterkariert die Realität, wie die bisherige Praxis zur Genüge beweist. Gleichzeitig wird völlig unnötig das eventuelle Sicherheitsproblem auf den Anlagenbetreiber verlagert bzw. auf eventuelle menschliche Unzulänglichkeiten beim Personal. Stichwort: Betriebssicherheitsverordnung.
Diese vorstehenden Erkenntnisse basieren nicht auf theoretischer Spurensuche nach dem Credo „Provokation als Prinzip“, sondern auf jahrzehntelangen Praxiserfahrungen, nicht zuletzt auch als ö.b.u.v.-Gutachter, wo man nicht selten mit dieser Sicherheitsthematik konfrontiert wird. Die besagten Armaturen lassen sich zum Beispiel mithilfe von Schlössern, Verplombungen, Verschraubungen o. ä. Zusatzmaßnahmen problemlos gegen unbefugtes Betätigen funktionswirksam absichern. Von daher ist die Realisierung der genannten Ergänzungsmaßnahmen bei den sicherheitsrelevanten Armaturen ohne irgendwelche Kompromisse zwingend notwendig und folglich auch in dieser Form im Merkblatt eindeutig und zweifelsfrei festzuschreiben.
MERKBLATT ABSATZ 5.7 „INBETRIEBNAHME/PRÜFUNG DER NEUANLAGEN ODER GEÄNDERTEN ANLAGEN“
Das Merkblatt enthält, zur Ehrenrettung angemerkt, durchaus sinnvolle Forderungen. Es berücksichtigt oder differenziert aus (un)erklärlichen Gründen, im gesamten Merkblatt-Kontext wie einem roten Faden folgend, jedoch nicht ein einziges Mal die Tatsache, dass im gesamten öffentlichen Bäderbereich, zum Beispiel Hotels, Saunaanlagen, Clubs etc. in der Mehrzahl serienmäßige Wasserattraktionsanlagen zum Einbau kommen, für deren Funktionssicherheit in der Regel die Hersteller bereits die volle Anlagengewährleistung tragen. Denn das ist doch wohl primär der Sinn und Zweck der DIN EN 13451, oder?
Anmerkung:
Welche Bewandtnis die undifferenzierte Merkblatt-Forderung nach „Ist-Volumenstrommessungen mit anerkannten Verfahren mit geringer Fehlertoleranz“ bei derartigen so genannten Kleinanlagen hat, sollte mangels Handlungsbedarf das Geheimnis der Verfasser bleiben.
MERKBLATT ABSATZ 6 „PRÜFUNG BESTEHENDER ANLAGEN“
In diesem Absatz wird offensichtlich versucht, bestehende Anlagen rigoros platt zu machen, denn anders lassen sich die „Muss-Forderungen“ nicht erklären. Statt es sinnvoller Weise dabei zu belassen – so wie es derzeit auch gängige Praxis ist – zu prüfen, ob die Ansaugung den Sicherheits-Haartest nach DIN EN 13451 Teil 3 besteht, „müssen“ die Ansaugungen gemäß Merkblatt darüber hinaus auch noch mindestens der oben genannter Norm Teil 1 entsprechen. Immer noch nicht ausreichend, wird obendrein auch noch ein Sicherheitstest gemäß Merkblatt Absatz 5.7 gefordert. Da bekanntlich die Mehrzahl der besagten Anlagen die im vorstehenden Absatz genannten Sicherheitseinrichtungen überhaupt nicht besitzen und es unter dem Absatz 6 auch keine weiteren diesbezüglichen Aussagen gibt, bleibt abschließend nur noch resignierend die scharfsinnige Frage: Bleibt jetzt alles anders oder soll alles so werden, wie es derzeit ist?
MERKBLATT ABSATZ 9 „BETRIEBLICHE MASSNAHMEN“
Bei den fünf imMerkblatt genannten Forderungen sind bis auf eine alle weiteren sinnvoll und berechtigt. Aber bei der besagten einen Forderung, die wörtlich lautet:
„Der Funktionstest nach Punkt 5.7 ist alle 2 Monate zu wiederholen“ hat man höflich formuliert offensichtlich nach dem Motto „Geld spielt keine Rolle, wir haben eh keines“ die Realität völlig aus dem Auge verloren. Wer soll bitteschön die Ist-Volumenstrommessungen mit den geforderten Geräteansprüchen alle zwei Monate durchführen usw., usw.? Oder hat man einfach nur aufgrund des allgemeinen Formulierungseifers die Kontrolle über die Auswirkungen im Detail verloren?
Hinweise:
Mein penetrantes Hinterfragen mag zwar auf den ersten Blick provokant erscheinen, ist es aber nicht. Denn wer das Bauvertragsrecht beherrscht und die daraus resultierenden Folgen kennt, oder als Betroffener im doppelten Wortsinn mit dieser juristischen Materie jemals konfrontiert war, weiß, wie unpräzise Textpassagen oder Formulierungen von gewieften Rechtsverdrehern im Ernstfall gnadenlos missbraucht werden.
THEORIE VERSUS PRAXIS
Die Sinnfrage, ob der Entwurf tatsächlich der große Wurf ist, bei dem man weder se(e)hkrank wird noch zum Bauchplatscher mutiert, beantwortet die endgültige Fassung des besagten Merkblattes 60.03. Da Sicherheit bekanntlich nicht teilbar und das Leben – wie man weiß – bisweilen lebensgefährlich ist, kann die Antwort auf die Pool-Sicherheitsfrage eigentlich nur lauten: mit Sicherheit baden gehen! Dazu hätte man meiner Meinung nach durchaus einige Sicherheitsaspekte bzw. zusätzliche Anmerkungen sinnvoller Weise mitberücksichtigen können:
a) Zunächst allgemein
• Wenn man beim Zitieren der Europäischen Gerätesicherheits-Norm DIN EN 13451 die Bezeichnung EN siebenmal im Merkblatt vergisst, ist das zwar konsequent, aber nicht korrekt und folglich ein grober Lapsus der Gremien alias DGfdB.
• Wenn Edelfedern in einem technischen Merkblatt gestandenen Fachleuten mit wackelnd erhobenem Zeigefinger gebetsmühlenartig mit dem Unwort „muss“ drohen, sollte man sich gefälligst vorher in der DIN 820 über die in Fachkreisen üblichen Formulierungen informieren, um über die Praxisauswirkungen solcher Hilfsverben im Klaren zu sein. Stichwort Duo-Invernale; Schwarze Samtrobe (Satirebegriff Lügenkittel) und Richter Gnadenlos.
• Wenn man im Merkblatt unbewusst nicht erwähnt oder bewusst ignoriert, dass es inzwischen renommierte Hersteller gibt, die serienmäßig Kompaktanlagen respektive Anlagenkomponenten mit den geforderten Sicherheitsprüfungen gemäß DIN EN 13451 besitzen, wäre dieser Unterlassungstatbestand juristisch gesehen im ersten Fall fahrlässig, schlimmstenfalls grob fahrlässig und im zweiten Fall Vorsatz (kleiner Scherz meinerseits).
• Wenn man im Merkblatt Absatz 10 „Literaturnachweis“ nur sich selbst zitiert und es nicht einmal für nötig hält, eine mehrmals national und zugleich international erschienene Veröffentlichung zu erwähnen, in der die Haarfangproblematik erstmalig aufgrund eines Todesfalls thematisiert wird, stellt sich zwangsläufig die Frage nach solch einem Denkmuster. Diese journalistisch infizierte Sinn frage werde ich jedoch ganz bewusst nicht mit der Bemerkung „Profi(t) – Ego – Marketing“ beantworten. Stattdessen soll die Printmedien-Frage in den Raum gestellt werden, ob man hier nicht verzweifelt versucht, mit vereinten Ausschluss-, pardon, Ausschusskräften eine Ethik-Drehtüre vergeblich zuzuschlagen?
b) Nun speziell zur Technik
• Im Gesamtkontext des Merkblattes fehlt das interessante Thema Pumpen, denn diese Anlagenkomponente hat eine nicht unbedeutende Systemfunktion. Hier geht es nämlich primär auch um die richtige Dimensionierung, das heißt um das tatsächlich notwendige Fördervolumen (m 2 /h) und die erforderliche Förderhöhe (bar). Da hierüber in der Branche bekanntlich nach wie vor erhebliche Unsicherheit herrscht, mit der Folge von häufigen viel zu großen Sicherheitszuschlägen, wäre ein diesbezüglicher Hinweis der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen e.V. in ihrem eigenen Merkblatt 65.07 „Wasserattraktionen in Schwimmbädern – Bau und Betrieb“ durchaus sinnvoll gewesen, oder ist dieses Merkblatt nicht mehr aktuell? Dann bitteschön umgehende Zwangsentsorgung in die senkrechte Ablage! Aufgrund des intermittierenden Pumpenbetriebs wäre darüber hinaus auch ein kurzer Hinweis auf die Korrosionsthematik durchaus sinnvoll gewesen.
• Auf automatische Mess- und Regelanlagen für die Hilfsparameter freies Chlor, pH-Wert-Korrektur und Redoxpotenzial hätte man ebenfalls auch etwas näher eingehen können. Denn wie sich nach dem tödlichen Haaransaug-Unfall bei diversen Anlagenüberprüfungen gezeigt hat, benötigten die meisten Mess- und Regelanlagen überhaupt keine der Energie fressen den Messwasserpumpen. Diese Anlagen erfordern nämlich in der Regel nur ein Wasservolumen von ca. 30 l/h bei einem Fließdruck von 0,1 bis 0,15 bar. Da die installierten Messwasserpumpen in der Regel viel zu groß sind, ergeben sich bei Motorleistungen von ca. 600 bis 700 Watt im Jahr je Pumpe ca. 5256 bis 6132 kW respektive je nach Strompreis ca. 890 bis 1000 Euro Betriebskosten zuzüglich der Investitionskosten.
Zur Verdeutlichung: Bei drei bis fünf installierten Messwasserpumpen, was durchaus bei großen Bädern nicht unüblich ist, belaufen sich diese Betriebskosten bereits auf ca. 2700 Euro bis 4500 Euro. Das Argument eventuell zu großer Messwasser-Erfassungszeiten lässt sich durch eine fachgerechte Messstellenanordnung in unmittelbarer Nähe der Messwasserentnahmestelle entkräften und gleichzeitig ist hierdurch sinnvoller Weise auch die Haarfang-Problematik mit geklärt.
ZU GUTER LETZT
Unter der Rubrik „Unglaublich, aber wahr“ lässt sich der folgende Haaransaug-Unfall einordnen. Dieser Unfall ist deswegen so dramatisch, weil selbst gestandene Schwimmbad-Fachleute so eine Unfallursache bis dato für völlig unmöglich gehalten haben. Hierzu exklusiv veröffentlicht die folgende Beschreibung mit Fotodokumentation:
Bei Sanierungsarbeiten in einem öffentlichen Schwimmbad wurden sämtliche Becken entleert. Bei einem nicht direkt von der Sanierung betroffenen entleerten Schwimmbecken ist über eine horizontal angeordnete Abdeckung mit vorschriftsmäßigen Schlitzbreiten von 8 Millimeter unbemerkt ein flaches Kunststoffteil in ein Unterwassermassage-Rohrsystem gelangt. Bei der späteren Wiederinbetriebnahme des Schwimmbeckens hatte sich ebenfalls unbemerkt das besagte Kunststoffteil in einer der acht Massagedüsen verklemmt. Aufgrund der unglücklichen Stellung bzw. Position des besagten Kunststoffteils hatte nur die eine Hälfte des Düsenquerschnittes eine Wassermassagewirkung und bei dem unmittelbar daneben befindlichen verbleibenden Massagedüsenquerschnitt entstanden hingegen nach dem Venturie- Injektorprinzip ein Unterdruck respektive eine Saugwirkung. Aufgrund der vorhandenen Vakuumwirkung wurden die Haare eines Badegastes in Sekundenschnelle angesaugt. Dank der Geistesgegenwart des Aufsichtspersonals hatte der Unfall glücklicherweise keine schwer wiegenden Folgen.
FAZIT
Wie das Unfallbeispiel eindrucksvoll dokumentiert, ist es fast unmöglich alle ev. Realitätsmöglichkeiten in der Praxis zu berücksichtigen, da immer ein unvorhersehbares Restrisiko verbleibt. Abschließend noch ein eventuellen Missverständnissen vorbeugender
Hinweis: Wenn funktionstechnische Gefahr auch nur ansatzweise im Verzug ist, müssen Schwimmbadbauer sofort reagieren und alle Warnlampen auf Rot stellen – und zwar im Dauerbetrieb. Folglich ist der Augen öffnende Beitrag keine negative Zäsur, sondern als nachhaltig wirkende Prävention aus der Praxis für die Praxis zu verstehen. Andernfalls hätte ich nicht, häufig mit dieser dramatischen Sicherheits-Peripherie konfrontiert, die Zeit für den Infobeitrag investiert, sondern stattdessen als Bäder-Voyeur zur „Wellnass-Entspannung“ lieber Fliesen, bevorzugt Glasmosaik, in Schwimmbecken gezählt. Oder, wie mir ein schmunzelnder Kollegenwitzbold, immer für eine provokante Überraschung gut, hintersinnig empfahl, als unterbeschäftigter Gutmensch regelmäßig Briefmarkensammlungen mit Schwimmbadlogo zu veröffentlichen. Sorry, liebe Philatelisten.
CHRISTOPH SAUNUS | text
CHRISTOPH SAUNUS, BILD | fotos
Schwimmbad & Therme
OKTOBER 2006