Die Seehunde fühlen sich poolwohl - Christoph Saunus

Drei erfolgreiche Wasser-Aufbereitungsverfahren für Seehundbecken

Dass sich die Seehunde auch in liebevoll der Natur nachempfundenen "Schwimmbecken" mit optimaler Beckenwasserqualität poolwohl fühlen , verdeutlichen sehr eindrucksvoll die drei beschriebenen mustergütigen Projekte im norddeutschen Schleswig-Holstein. Für Planer- und Anlagenbauer sind die Seehundbecken- Anlagen in Kiel, Neumünster und Friedrichskoog insofern interessant, da sie neben der artgerechten Tierhaltung völlig unterschiedliche Wasseraufbereitungstechnologien aufweisen, wobei jede Anlage für sich optimal funktioniert.

Bevor auf die artgerechte Seehund-Haltung, speziell die Beckenwasser-Aufbereitung näher eingegangen wird, die übrigens nicht gravierend von der in unseren Schwimmbädern abweicht, ein kurzer Abstecher in der Natur-, Tier- und Artenschutz. Seehunde, lateinische Bezeichnung „Phoca vitulina“, gelten nicht nur auch Touristen- Attraktionen an der deutschen Nordseeküste. Auch Tierparks und Zoos, den ökologische Oasen am Rande der Großstädte, sind sie nicht mehr wegzudenken.

Nationalpark Wattenmeer

Das nördliche Bundesland Schleswig- Holstein hat mit seinem 1985 eingerichteten Nationalpark, „Nordsee- Wattenmeer“ inzwischen auch international herausragende Bedeutung. Der an der friesischen Westküste gelegene Nationalpark ist mit ca. 285000 ha der größte in der Bundesrepublik. Von der im Einklang zwischen Ökologie und Ökonomie lebende Küstenlandschaft profitieren sowohl die Bewohner als auch die Touristen und letztlich auch die Seehunde.

Die possierlichen Säugetiere des Meeres mit ihren wunderschönen dunklen Augen, ihren stromlinienförmrigen, mit kurzhaarigem Fell bedeckten Körpern sind sowohl ausgezeichnete Schwimmer ( Spitzengeschwindigkeit ca. 35 km/h) als auch exzellente Taucher. Normalerweise bleiben sie ca. 10 Minuten unter Wasser. Sie können aber auch ½ Stunde lang tauchen bis zu einer erstaunliche Tiefe von 400 m.

Die Seehunde gehören weder zu den Hunden noch zu den Walen, sonder zur großen Gruppen der Robben. Seit Urzeiten tummeln sie sich an den europäischen Küsten der Nordsee, dem Randmeer des Atlantischen Ozeans. Daher hat der sich vom holländischen Den Helden bis zum dänischen Esbjerg erstreckende Lebensraum Wattenmeer der Deutschen Bucht im rhythmischen Gezeitenwechsel zwischen Ebben und Flut eine Schlüsselstellung im sensiblen Ökosystem Nordsee. Kennzeichnend für das Watt („Auftauchbereich “) ist der periodische Wechsel (Tide) zwischen Trockenfall und Überflutung des reich mit biologischem Leben erfüllten Meerensbodens. Bei Niedrigwasser (Ebbe) sieht man die Seehunde inmitten der einzigartigen Meeresidylle auf ihren traditionellen Sandwattbänke in Rudeln gemeinsam die erholsame Ruhe genießen. Die angrenzenden tiefen Priele und Wattenströme dienen den Tieren bei Gefahr als Fluchtweg. Ansonsten sind Robben eher Einzelgänger. Die lebensnotwendigen Sandbänken sind einerseits die ange- stammten Liegeplätze der Muttertiere und anderseits die Kinderstube für die Robbensbabys. Denn hier werden die relativ großen und weit entwickelten Jungen bei Ebbe geboren und müssen ihre Mutter bereits bei der nächsten Flut, d.h. Während der Überflutung der Sandbänke für etliche Stunden ins Wasser folgen. In den Sommermonaten zwischen Juni August säugen sie ihre Jungen - etwa 4 - 5 Wochen lang auf der Muterbank. Wenn sich der Nachwuchs die zum selbständigen Leben benötigte Speckschicht zugelegt hat, stellen die Eltern ihren Futter-Shuttle-Dienst ein. Danach beginnt nämlich bereits wieder der Brunftzyklus mit anschließender Verpaarung.

Die touristisch attraktive Sommerzeit bedeutet für die Seehunde daher keinesfalls Erholung, sondern biologischer Stress. Während der Wurf- und Säugezeit, dem Haarwechsel und der Paarung nimmt die Speckschicht der Muttertiere folglich sehr stark ab. Da die Meerestiere besonders scheu und störanfällig sind, kommt es durch äußere Bedrohungen, wie z. B. Tourismus, Flugverkehr, Wassersport etc., nicht selten zur ungewollten Trennung zwischen Jung- und Muttertier. Dann versucht das Junge (genannt Heuler) durch eindringliches Heulen, es ist ein normaler Stimmfühlungslaut bzw. Kontaktlaut und nicht etwa Klagen, seine Mutter zu rufen. Erstaunlich ist die Tatsache, daß die Muttertiere die Orientierungstöne ihres Nachwuchses auch über unglaubliche Entfernungen selbst gegen den Wind hören.

Weder Hund noch Wal

Zum evtl. irreführenden Begriff „Seehundjäger" folgendes: In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts galt in den Seebädern die Jagd auf den „Fischfresser" Seehund als „Schädling" zum Freizeitvergnügen der Kurgäste. Dabei war die Seehundjagd sehr simpel. Die Meerestiere haben nämlich nur im Wasser einen scharfen Blick. Über dem Wasser sind sie kurzsichtig. Einen auf dem Bauch liegenden Menschen halten sie deshalb für ihresgleichen. Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen von Verhaltensbiologen ertasten die Robben mit Hilfe ihrer Haare über den Augen und an beiden Seiten der Schnauze nicht nur im Wasser ihre Umwelt, sondern „erkennen" sogar mit Hilfe ihrer hochentwickelten Barthaar- „Sinnesorgane" Objekte. Erst das Reichsjagd- und Naturschutzgesetz von 1934/35 rettete die Seehunde vor der Ausrottung durch hemmungslose Schießwut. Seit 1974 unterliegen Seehunde zwar dem Jagdrecht, werden aber nicht mehr gejagt.

Die fachgerechte Betreuung und Pflege gefährdeter Jungtiere übernehmen autorisierte Seehundstationen, wie z. B. Friedrichskoog in Schleswig-Holstein, über deren interessante Beckenwasser- Aufbereitungstechnologie in der Folge noch näher eingegangen wird. Zum Schutz der Seehunde gibt es innerhalb des Nationalparks „Schleswig-holsteinisches Wattenmeer" bestimmte Schutzzonen, wobei zum besonders wertvollen und empfindlichen Bereich der Zone 1 selbstverständlich auch die wichtigen Seehundbänke gehören.

Epedemie überwunden

Das in Pressemeldungen immer wieder beklagte Seehundsterben an der Nordsee, ausgedehnt auf ganz Nordwesteuropa, beruht auf der hohen Schadstoffbelastung des Meeres. Als Endglied in der Nahrungskette unterliegen die sich von kleinen Fischen ernährenden Meeressäuger folglich der höchsten Schadstoffkonzentration. Übrigens war der Auslöser der letzten ganz Nordwesteuropa erfassenden Epidemie, der 1988 etwa 8 600 der rund 15 000 freilebenden Seehunde zum Opfer gefallen sind, ein Staupe-Virus. Die Ursache der Seuche ist leider nie ganz aufgeklärt worden.

Möglicherweise gelangte der Robben-Staupe-Virus entweder über die dänischen Nerzfarmen in das Kattegat oder durch zugewanderte Robben aus dem Nordatlantik. Gegen den besagten Virus inzwischen weitgehend immun, hat sich der Seehundbestand jedoch in wenigen Jahren wieder erholt. Erfreulich ist, daß die Seehund-Population in diesem Jahr nochmals um rund 10% gestiegen ist. Nachdem im vergangenen Jahr bereits ein außergewöhnlich hoher Anstieg von über 21 % registriert wurde, ist das eine sehr erstaunliche positive Entwicklung. Dieses unterstreicht auch nochmals die folgende Mitteilung des Nationalparkamtes in Tönning (Kreis Nordfriesland). Danach ergab die jüngste Flugzählung auf den Sandbänken der schleswigholsteinischen Nordseeküste einen Seehundbestand von rund 5 000 gesunden Tieren bei einem Anteil von 1191 Jungtieren.

Wasser ist ihr Element

Ausschlaggebend für die Neu- bzw. Umbauten der Seehundbecken-Anlage waren die strengen Forderungen der Richtlinien des Landes zur dauerhaften Haltung von Seehunden und Kegelrobben. Da die bestehende Einrichtung zu klein bzw. nicht mehr zeitgemäß war und von daher nicht mehr den Vorschriften entsprach, entschied man sich zwangsläufig für die neuen Anlagenkonzeptionen. Rechtliche Grundlage war der § 27 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz der Natur (Landesnaturschutzgesetz - LNatSchG) in der Fassung vom 16. 6. 1993 (GVOBL Schi.-Holst.). Das Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig- Holstein, Abteilung Naturschutz und Landschaftspflege, ist gemäß dem bereits genannten Landschafts- Naturschutzgesetz zuständig für die Genehmigung zum Bau und Betrieb von Seehundanlagen. Um eine nach § 27 Abs. 2 und 3 Lnat SchG geforderte artgemäße und verhaltensgerechte Unterbringung und fachkundige Betreibung der Tiere zu gewährleisten, müssen derartige Anlagen die nachstehend unter Punkt 1-20 aufgeführten Auflagen erfüllen.

 

Auflagen zur artgerechten Unterbringung von Seehunden nach § 27 Abs. 2 und 3 Landesnatur SchG

1. Die Anlage muß so gestaltet werden, daß den Tieren zur Zuschauerseite eine freie Sicht ermöglicht wird.

2. Die Besucher dürfen keinen direkten Kontakt zu den Tieren bekommen. Die Besucherabtrennung muß durchsichtig und von der eigentlichen Gehegeabtrennung ca. 1,50 m entfernt sein.

3. Zur Gewährleistung des Ruhebedürfnisses der Tiere darf die Anlage nur von höchstens zwei Seiten für die Besucher begehbar sein.

4. Zur artgerechten Haltung ist für kleine Gruppen (Basisbestand bis zu max. sechs Tieren) ein 3-Beckensystem, für große Gruppen (Basisbestand mehr als sechs Tiere) ein 4-Beckensystem erforderlich. Neben dem Hauptbecken sind ein Quarantäne becken, ein Aufzuchtbecken und ein Absperrbecken zur Abtrennung während der Reinigungsarbeiten und für unverträgliche Tiere unumgänglich. Bei kleineren Gruppen kann das Aufzuchtbecken identisch mit dem Quarantänebecken sein, wobei die Trennung von Quarantänetieren absolut sichergestellt werden muß.

5. Das Hauptbecken muß verschiedene Tiefenstufen aufweisen, mindestens eine Flachwasserzone (0,4 bis 0,0 m) und eine Zone mit einer Tiefe von etwa 2,3 bis 3 m. Die Übergänge der Tiefenstufen müssen gleitend ineinander übergehen. Das Becken darf nicht kreisförmig oder rechteckig angelegt sein. Spitze Winkel und strömungsfreie Zonen sind in der Anlage zu vermeiden. Der Beckenrand zu den Liegeflächen muß flach auslaufend und ohne hohe Kanten gestaltet sein. Das Oberflächenmaterial muß aus griffigen und froststabilen Materialien bestehen. Seitenwände und Beckenboden müssen chemischen und mechanischen Belastungen standhalten. Zur Vermeidung von Verletzungen und zwecks leichter Reinigung des Beckens müssen der Bodenbelag und die Seitenwände von glatter resistenter Beschaffenheit sein. Die verwendeten Materialien müssen in ihrer Struktur und Zusammensetzung so beschaffen sein, daß eine Beeinträchtigung der Gesundheit der Tiere auszuschließen ist.

6. Die Größe des Quarantänebeckens muß mindestens 15 m 3 betragen. Für Besucher darf das Becken nicht zugänglich sein, allerdings sollte ein Sichtkontakt zu den Artgenossen im Hauptbecken möglich sein. Die Absperrung zum Hauptbecken kann aus beweglichen Absperrelementen bestehen. Der Beckenrand muß sehr flach und mit einem griffigen Oberflächenmaterial, das aber keine mechanischen Verletzungen beim Seehund verursacht, ausgestattet sein.

7. Um die Tiere während der Reinigung des Hauptbeckens abzutrennen oder unverträgliche Tiere von der restlichen Gruppe zu isolieren, ist ein Absperrbecken notwendig. Die Größe für dieses Becken muß 5 - 8 m 3 betragen. Die Tiere müssen dieses Absperrbecken leicht vom Hauptbecken erreichen können. Für Bodenbelag und Seitenwände gelten die unter dem Hauptbecken genannten Bedingungen.

8. Im Gehege müssen geeignete Liegeflächen für die Tiere vorhanden sein. Die Mindestfläche pro Seehund beträgt 5 m2 . Die Liegeflächen sollten von den Besuchern durch das Becken getrennt sein. Die Tiere müssen von den Liegeflächen einen direkten Zugang sowohl zu den Flachwasser- als auch zu den Tiefwasserzonen des Hauptbeckens haben. Geeignete Materialien für die Liegeflächen sind möglichst feinkörniger Sand (z. B. Dünensand, Bausand) und große, flache Steine.

9. Es dürfen nicht weniger als fünf Tiere und nicht mehr als sechs Tiere in der Anlage gehalten werden. Der Zu- und Abgang von Seehunden ist durch das Landesamt für Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein zu genehmigen.

10. Ein Geschlechterverhältnis (männlich/weiblich) von 1 : 3 bis 1 : 4 sollte angestrebt werden.

11. Eine Vergesellschaftung von Seehunden mit anderen Tierarten ist nicht gestattet.

12. Bei der Haltung von fünf Seehunden muß von einem Beckenvolumen von mindestens 125 m 3 ausgegangen werden. Für jedes weitere Tier müssen zusätzlich 20 m 3 zugerechnet werden.

13. Die ständige Kontrolle der Gehegeeinrichtung sowie eine fachgerechte Gesundheitskontrolle der Tiere müssen durch den Betreiber sichergestellt sein.

14. Nur bei täglichem Wasserwechsel und ständigem Frischwasserzulauf von mindestens Badewasserqualität kann auf eine Fiiteranlage verzichtet werden. Bei Verwendung einer Filteranlage muß die Durchflußrate des Filters so gewählt werden, daß das gesamte Beckenvolumen mindestens fünfmal täglich umgewälzt wird. Ein ständiger Frischwasserzufluß ist zusätzlich unbedingt notwendig.

15. Das Becken ist regelmäßig zu reinigen, mindestens einmal wöchentlich.

16. Dem Wasser im Becken dürfen Chlor oder chemische Reinigungsmittel nicht zugesetzt werden.

17. Die Tiere dürfen nur durch geschultes Personal, das den Tieren vertraut ist, versorgt werden. Die Fütterung sollte zweimal täglich (morgens und abends) und möglichst zum selben Zeitpunkt erfolgen. Wünschenswert ist ein begleitendes Beschäftigungs- und Bewegungsprogramm, wobei artgemäße Verhaltensweisen gefördert werden sollten.

18. Die verwendeten Futterfische dürfen nur der höchsten Güteklasse für Speisefische angehören. Den Tieren muß ein möglichst breites Nahrungsspektrum angeboten werden.

19. Für die einzelnen Tiere in der Anlage ist ein Gehegebuch zu führen, in dem regelmäßig die Entwicklung, Konstitution, Haarwechsel, Krankheiten, Freßverhalten, Verhaltensänderungen, Dressurverlauf, Paarung, Trächtigkeit, Aufzucht sowie die Herkunft und der Verbleib der Tiere eingetragen werden muß.

20. Für Besucher ist das Gehege mit einer möglichst breiten sachgerechten Information der Öffentlichkeit über Lebensraum, Lebensweise, Bedrohung und Schutzmaßnahmen der jeweiligen Wildpopulation auszustatten. Trotz des mit Sicherheit in der Praxis nicht leicht zu realisierenden Forderungs-Kataloges behält sich die zuständige Natur- und Umweltbehörde die nachträgliche Aufnahme von Ergänzungen oder Änderungen vor.

Meeresaquarium Kiel

Da die bereits in den 70er Jahren errichtete Seehundbecken-Anlage inzwischen zu klein war und von daher nicht mehr den vorstehenden Vorschriften entsprach, entschied sich das Institut für Meereskunde an der Universität Kiel unter der Leitung des wissenschaftlichen Leiters des Meeresaquariums Dr. Waller zum Bau einer neuen Anlage. Mit einer in diesem Bereich wohl einzigartigen Solidar-Aktion gelang es, die neue Seehundbecken- Anlage des Ostsee-Meerwasseraquariums in Schleswig- Holsteins Hauptstadt Kiel direkt an der Hafen-Kiellinie nach knappen 11/2 Jahren Bauzeit 1996 zu eröffnen. Die Besonderheit ist die Tatsache, daß ein großer Teil der 1,25 Millionen DM teuren Anlage durch Sponsorengelder aus der Wirtschaft aufgebracht wurde. Besonders erwähnenswert ist auch das Engagement des Baugewerbeverbandes Schleswig Holstein, dessen aktive Hilfe das Projekt erst ermöglichte. So erstellten die Lehrlinge der überbetrieblichen Ausbildungsstätten des Landes unter dem Motto „Jugend baut für Seehunde" in Eigenleistung die handwerklich anspruchsvollen neuen Becken und Liegefiächen. „Und zwar kostenlos!" Mit diesem lobenswerten Arrangement konnten die Baukosten sage und schreibe halbiert werden.

Sonnen auf der Liegefläche

Die drei wasseraufbereitungsmäßig separat zu betreibenden Aufzucht-, Inselund Tieftauchbecken mit ca. 80 m² großen Stand- und Liegeflächen haben bei einer Beckentiefe bis 2,50 m ein Wasservolumen von rund 500 m3. Damit der Besucher beim Betrachten der Seehunde mehr über die Meeres- Biologie erfährt, befindet sich vor dem Tieftauchbecken ein großzügiges Forum mit bequemen Sitzplätzen. Panorama- Unterwasserfenster erlauben einen nahen Wasserkontakt zu den Meeressäugern, um im direkten Kontakt deren Habitus, Bewegung und Verhalten zu verfolgen.

Bei der Beckenwasseraufbereitung ergab sich betriebswirtschaftlich eine optimale Konstellation. Da man das kontinuierlich im benachbarten Institut für Meeresbiologie der Universität Kiel anfallende Kühlwasser aus der Ostsee im sogenannten Recyclingverfahren kostenlos mitnutzen konnte, war folglich auch keine technisch und kostenaufwendige separate Wasseraufbereitung mehr notwendig. Das aus der Kieler Förde kommende Meerwasser wird vor der Nutzung innerhalb des Instituts, z. B. zur Aufzucht der Meereskulturen, zur Kühlwassernutzung etc. mit Hilfe einer technologisch aufwendigen Sandfilteranlage aufbereitet. Mit der als Pilotanlage konzipierten Chemie- und schwermetallfreien Ostseewasser- Aufbereitung betraten das Institut für Meeresbiologie der Universität Kiel, das Ingenieurbüro Mathies und Partner aus Hamburg und die ausführende Fachfirma A. Heinemann 1994 meerwasserverfahrenstechnisch Neuland. Inzwischen ist die Anlage, nicht zuletzt wegen ihrer einzigartigen Logistik, auf weltweite Resonanz gestoßen und wird gerade wieder an der Nordsee kopiert.

Vollautomatischer Betrieb

Die technisch sehr aufwendige, komplett aus Kunststoffmaterialien konzipierte Anlage hat einen druckabhängig gesteuerten vollautomatischen Betriebsablauf ohne besondere Personalüberwachung. Bei einer Filterleistung von 2 x 136 m3/h besteht die aus Sicherheitsgründen im Pendelbetrieb bzw. Stand-by gefahrene Anlage aus den folgenden wesentlichsten technischen Komponenten: 2 Kunststoff-Filterpumpen je 100 m3/h, 2 Meerwasser-PVC-Druckleitungen DN 150, bei der jeweils eine wechselseitig zur Gebäudeversorgung genutzt wird. In dem anderen Rohrsystem stagniert derweil das mit Sedimenten belastete Ostseewasser so lange, bis der zu Verstopfung führende Algen- und Muschelbewuchs abgestorben ist. Durch Systemumschaltung im Wochenrhythmus werden die abgestorbenen Ablagerungen aus dem Rohr entfernt und über die Filteranlage entsorgt. Von einer sogenannten Rohrreinigungs- Molchanlage hat man u. a. auch aus Kostengründen abgesehen. Übrigens hat sich die Eigenentwicklung in der Praxis inzwischen hervorragend bewährt und ist von daher weiterzuempfehlen.

Die weitere Anlagentechnik beinhaltet  2 automatische GFK-Kiesfilter, Leistung je 136 m3/h bei 2,40 m Durchmesser respektive 22 m/h Filtergeschwindigkeit, 1 Spülluftgebläse, Leistung 360 m3/h, 2 Filterspülpumpen, Leistung je 250 m3/h, 1 Meerwasser- Rückspülbehälter, Nutzvolumen 45 m3 , 1 GFK-Sedimentationsbehälter, 2,40 m Durchmesser und 4,85 m Gesamthöhe bei 14 m3 Inhalt, 1 unterirdischen GFK-Sedimentations-Auffangbehälter mit 8,50 m3 Inhalt, 1 Edelstahl- Schaltschrank mit frei programmierbarer Computersteuerung und optischem Blink-Fließschema. Die frei programmierbare Computersteuerung hat sich insofern hervorragend bewährt, als das Programm nachträglich zur Optimierung der Anlagenabläufe erwartungsgemäß mehrmals neu erstellt bzw. umprogrammiert werden mußte.

In Abstimmung mit der zuständigen Umweltbehörde darf das von Sedimenten gereinigte Filterspülwasser wieder in die Förde zurückgeleitet werden. Die im Sedimentationsbehälter gesammelten Feststoffe werden hingegen zunächst gepreßt und anschließend spezialentsorgt. Zurück zur Seehundbecken-Anlage. Da sich das kontinuierlich aus dem benachbarten Institut für Meeresforschung anfallende, völlig chemiefreie Ostsee-Kühlwasser mit einem Volumen von 50 m3/h nach der Aufbereitung nur um ca. 1 °C erwärmt, wird es direkt in die drei Seehundbecken geleitet. Jedes Becken erhält mittels entsprechender Armaturenschaltung über PVC-Leitungen (1 x DN 50, 2 x DN 100) den rechnerisch ermittelten Ostseewasser-Volumenstrorhanteil. Die Beckenwasserableitung innerhalb der Seehundanlage erfolgt kontinuierlich entspannt über bestimmte Überlaufrinnenbereiche mit entsprechend dimensionierten Abläufen. Auch dieses Abwasser darf in Abstimmung mit der Umweltbehörde aufgrund seiner sehr geringen Belastung gleichfalls wieder direkt zurück in die Förde fließen.

Nach Friedrichskoog evakuiert

Selbiges gilt sinngemäß auch für das Beckenentleerungswasser, das während der wöchentlichen Beckenreinigung anfällt. Apropos Reinigung, die Seehundbecken sind komplett mit wasserundurchlässigem, leicht zu reinigendem, glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) ausgekleidet. Bei der Herstellung der druckwasserhaltigen Beckenauskleidung ist jedoch besonders darauf zu achten, daß der duroplastische Werkstoff aus hochaktiven Polyester- und Epoxidharzen mit Glasfaserverstärkung fachgerecht verarbeitet wird, die Rezeptur stimmt, und auch die Durchhärtungszeiten genauestens eingehalten werden. Andernfalls sind aufwendige Nacharbeiten bis hin zur Totalsanierung vorprogrammiert. Planungshinweis: Das örtlich in drei Laminarschichten bis zu einer Materialdicke von 2-3 mm aufgebrachte „Ortlaminat" erfordert zur fachgerechten Verarbeitung eine Umgebungstemperatur von > 10 °C bei max. 70% rel. Luftfeuchte. Die Restfeuchte im Untergrund, d. h. im Stahlbeton, sollte bei 3% liegen.

Bei den 500 m3 fassenden Seehundbecken und dem permanenten Reinwasser- Zulauf von 50 m3/h ergibt sich theoretisch ein Beckenwasseraustausch innerhalb von 10 h. Diese theoretische Formel bringt man häufig auch bei Schwimmbecken zum Ansatz.

Die Formel: Beckenvolumen

Reinwasserzufluß

= Beckenumwälzzeit

ist jedoch aufgrund der stattfindenden Wasservermischung nicht richtig, streng genommen sogar falsch. Das gezeigte Diagramm verdeutlicht nämlich, daß ein ca. 90%iger Beckenwasseraustausch bei weitgehend optimaler Hydraulik wissenschaftlich genau erst in ca. 24 h erfolgt (siehe Grafik).

Bleibt noch nachzutragen, daß die 5 Seehunde (1 Männchen und 4 Weibchen) während der Bauphase in der Seehundstation in Friedrichskoog, über die zum Schluß berichtet wird, liebevoll umsorgt wurden. Der überzeugende Beweis dafür, dass sich die Seehunde in ihrem neuen Badeparadies poolwohl fühlen, ist ein munteres 9 kg schweres Seehund-Baby. Während Vater „Jimmy" von dem „Lütten" keine große Notiz nimmt, passt Mutter „Kiek" besorgt fauchend auf ihren kleinen Tolpatsch auf, damit ihm ja keiner zu nahe kommt. Das Kleine war kein Wunschkind, die Paarung nicht geplant, sagt Aquariumsleiter Werner Marwedel und fügt augenzwinkernd hinzu: "Leider gibt es immer noch keine Antibabypille für Seehunde."

Christoph Saunus

1998 • 6 • SANITÄR- UND HEIZUNGSTECHNIK

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