Neue Rohrdurchführungen für altes Schwimmbecken
Immer mehr private und öffentliche Schwimmbäder gehören, in die Jahre gekommen, inzwischen der Generation X-Plus an. Unattraktiv und von Erosionen schwer gezeichnet sind die nostalgischen Badeunikate - ob sie wollen oder nicht - reif für die Renovierung bzw. Sanierung und müssen, wie unsere östlichen Kollegen treffend formulieren, zwangsweise rekonstruiert werden. Hierbei stellt sich dann automatisch die bange Frage nach den Kosten. Im privaten Schwimmbadbereich ist die Sinnfrage mit dem Argument der persönlichen Gesundheits- Investition relativ einfach beantwortet Im öffentlichen Bäderbereich hingegen gibt es diverse Sachzwänge, die bei der Entscheidungsfindung kalkulatorisch zu berücksichtigen sind.
Das beginnt mit der überaus angespannten Finanzlage der Kommunen, geht weiter über den Kosten-Nutzen- Nachweis gegenüber dem Steuerzahler und endet bei der notwendigen Einhaltung neuer Vorschriften, Bestimmungen etc. Da gerade die ausufernde Regelungsflut einen nicht zu unterschätzenden Kostentreiber darstellt, wird häufig der so genannte Bestandsschutz als sinnvolle Kostendämpfungsmaßnahme genutzt und bisweilen auch aus der Not heraus als Alibi missbraucht.
Schwimmbad-Situation
Im beschriebenen Hallenschwimmbad- Projekt waren nach ca. 30-jähriger Betriebszeit die Stahl-Rohrdurchführungen im kombinierten Springerund Schwimmerbecken weitgehend durchgerostet. Bei den trotz Feuerverzinkung und zusätzlicher Kunststoffbeschichtung durchkorrodierten Rohrdurchführungen handelte es sich im Einzelnen um 18 Stück Reinwasseranschlüsse DN 65 in den Beckenwänden und sechs Stück Bodenabsaugungen DN 80 im Bereich der Beckenbodenschräge.
Das 25 m lange und 15 m breite Springer- und Schwimmerbecken hatte bereits eine umlaufende, flache Überlaufrinne in Beckenumgangshöhe ohne Rostabdeckung sowie eine horizontale Beckenhydraulik mit gegenläufiger Längsdurchströmung.
Im flachen, 1,80 m tiefen Schwimmerbereich befinden sich in der Beckenschmalseite, ca. 0,30 m über dem Beckenboden, sechs horizontal angeordnete Reinwassereinläufe DN 65. Auf der gegenüberliegenden 3,80 m tiefen Beckenschmalseite sind zweireihig übereinander insgesamt zwölf Reinwassereinläufe ebenfalls DN 65 installiert. Im tiefen Springer-Bodenbereich direkt im Anschlusspunkt der zum Schwimmerbecken führenden Schräge sind, wie bereits erwähnt, sechs Bodenabsaugungen DN 80 einbetoniert. Das Becken besteht aus Stahlbeton DIN 1045 mit einer Auskleidung aus keramischen Spaltplatten in Dickbettverlegung DIN 18157. Die Ein- und Ausläufe haben jeweils Edelstahlrahmen in Spaltplattengröße 24 cm x 24 cm mit Abdeckungen, die gemäß den Unfallverhütungsvorschriften max. 8 mm schmale Längsschlitze aufweisen. Das Filterumwälzvolumen beträgt ca. 180 m3/h, wobei ca. 2/3 des Umwälzwassers permanent in die Überlaufrinne fließen und ca. 1/3 kontinuierlich vom Beckenboden (Springerbereich) abgesaugt wird. Nachdem die beschriebene Beckenhydraulik in Verbindung mit einer Filtergeschwindigkeit von ca. 48 m/h jahrzehntelang trotz regelmäßiger sehr hoher Personenbelastung stets eine optimale Wasserqualität sichergestellt hatte, stellte sich zwangsläufig die Frage: Soll die anstehende Sanierung fachgerecht oder normkonform erfolgen? Bei der fachgerechten Sanierungsvariante hätte man lediglich die Rohrdurchführungen erneuert und damit den positiven Praxiserfahrungen der Vergangenheit Rechnung getragen. Die zweite Version gemäß den aktuellen Normforderungen wäre zweifelsohne die wesentlich teurere Lösung geworden. Die Schwimmbad-DIN 19643 erlaubt im Normteil 1 Absatz 9 „
Anforderungen an das hydraulische System" nämlich nur noch die beiden folgenden Becken-Hydrauliksysteme; entweder die Vertikaldurchströmung über den Beckenboden oder eine horizontale Hydraulik, bei der die Reinwassereinströmung gezwungenermaßen über die beiden Beckenlängsseiten erfolgen muss. Darüber hinaus dürfen bei der horizontalen Beckendurchströmung die Abstände der versetzt gegenüber angeordneten Einlaufe nur max. 1/3 Beckenbreite betragen, mit einem dazugehörigen Mindestdruck in bar = 0,02 x Beckenbreite (m). Zusätzlich müssen laut oben genannter DIN 19643 100% des Filterumwälzvolumenstromes kontinuierlich über die umlaufende Überlaufrinne fließen. Um die vorstehenden Normforderungen zu realisieren, wären somit, wie bereits erwähnt, immense Investitionskosten notwendig geworden. Diese resultie ren aus der erheblich höheren Anzahl von Einlaufen, einer weitgehend komplett neuen Beckenverrohrung bis hin zur Vergrößerung des Schwallbehälters bei gleichzeitiger Erhöhung der Anzahl der Rinnenabläufe. Die Reduzierung der Filtergeschwindigkeit von bisher 48 m/h auf 30 m/h, wie in den Normteilen 1 bis 5 zwingend gefordert, hätte nochmals fast eine Verdoppelung der Filterfläche bedeutet, mit allen daraus resultierenden Nebenkosten einschließlich des zusätzlich benötigten Platzbedarfs. Aus Kostengründen hat man sich dann schlussendlich doch für die nachstehend näher beschriebene Sanierungsvariante eins entschieden. Der chronologische Arbeitsablauf ist nochmals als Bildfolge im Beitrag dokumentiert. So wurden bei der Sanierung lediglich die Rohrdurchführungen erneuert und die bestehende Verrohrung wurde weitgehend beibehalten einschließlich der nicht normkonformen Beckenhydraulik. Um es gleich vorweg zu nehmen, die gesamte Sanierungsmaßnahme war nach drei Wochen vergessen, die Gesamtkosten lagen unter 40.000,00 € einschließlich MwSt. und mit dem anschließenden Farbtest wurde zweifelsfrei nachgewiesen, dass die Beckenhydraulik fern deutschem Norm-Design auch mit einer gegenläufigen Längsströmung optimal funktioniert. Die positiven Erfahrungen mit der kostengünstigen Sanierung unter Beibehaltung des schwimmbadtechnischen Bestandes haben zweifelsfrei gezeigt, dass man, statt naiv normhörig Kosten zu produzieren, mit Fachkompetenz gesicherte praktische Erfahrung sinnvoll nutzen sollte. Diese Tatsache spricht einmal mehr für die hoffentlich bald erscheinende Bäderverordnung. In ihr wird nämlich auf keine Normen mehr ultimativ Bezug ge nommen, sondern als alles entscheidende Hygienekriterien zählen nur noch die Wasserqualitätsparameter.
Sanierungschronologie
Aufgrund des glücklichen Umstandes, dass die Rohrdurchführungen auf der Beckeninnenseite mit 24 x 24 cm großen Rahmenabdeckungen versehen waren, ließen sich die korrodierten Stahlrohrdurchführungen in den Beckenwänden problemlos mit Kernbohrungen von 150 mm Durchmesser entfernen, ohne hierbei die Verfliesung zu beschädigen. Durch das Ansetzen des Bohrgerätes von der Beckeninnenseite ergaben sich lediglich Befestigungsbohrungen im Fliesenbelag von 14 mm Durchmesser. Da die Beckensohle im tiefer gelegenen Springerbereich nicht unterkellert war, wurden entsprechende Schrägbohrungen notwendig. Aufgrund der heute zur Verfügung stehenden modernen Bohrtechnik ließen sich auch diese problemlos herstellen. Das einzige außerplanmäßige Vorkommnis war die nicht berücksichtigte Größe der Sperrflansche an den Stellrohrdurchführungen. Hierbei ergab sich bedauerlicherweise neben dem zusätzlichen Zeitaufwand noch ein nicht unbedeutender Materialverschleiß an den Bohrkronen, denn mit einer Bohrkrone ließen sich nur drei Bohrungen herstellen, statt wie angedacht sechs und mehr. Im zweiten Arbeitsgang wurden dann die Kunststoff-Rohrdurchführungen in den Bohrungen fachgerecht zentriert. Die Kunststoff-Rohrdurchführungen bestehen aus ca. 500 mm langen PVC Druckrohren DN 65 respektive DN 80 der Druckstufe PN 10 mit zwei Lagen so genanntem Waterstop-Quellband. Nach erfolgter Zentrierung der Rohre in den Kernbohrlöchern wurden diese mit wasserundurchlässiger Betonsuspension verpresst. Das offiziell von einem autorisierten Baumaterial- Prüfamt zertifizierte Waterstop-Dichtband besteht aus 75% Volclay-Betonit und 25% Butyl-Kautschuk. Das Material besitzt ein außergewöhnliches Quellvermögen von ca. 300%. Darüber hinaus hat der ständig plastisch bleibende Dichtwerkstoff ein hervorragendes Quelldepot, welches auch noch evtl. später auftretende Haarrisse im Beton abdichtet. Die Verfüllung der Wanddurchführung erfolgt mit einer Spezialzementsuspension, Fabrikat Obernolte, Typ 08/35. Der offiziell auf Wasserundurchlässigkeit geprüfte und zusätzlich von einem renommierten Hygieneinstitut zertifizierte, vorwiegend zum Verschließen von Schalungs-Distanzrohren verwendete Spezialmörtel ist trinkwassergeeignet und besteht zu 33% aus Zement und zu 66% aus Quarzsand, wobei die verbleibenden restlichen Bestandteile organische Zusatzmittel sind. Um eine optimale Flankenhaftung zu bekommen, werden die Betonflächen der Kernbohrungen von Bohr- bzw. Zementschlämme befreit, dann vorgewässert und anschließend erfolgt die Ausmörtelung mit dem pastösen Dichtmaterial in luftblasenfreier Konsistenz mittels Spachtelung bzw. Handverpressung. Die Mindestverarbeitungstemperatur beträgt + 5 °C, wobei innerhalb der ersten drei Tage eine Festigkeit von ca. 75% erreicht wird und bereits nach sieben Tagen die Beckenbefüllung erfolgen kann. Bei den Rohrdurchführungen im Beckenboden konnte aufgrund der relativ großen Aussparungen im Beckenboden Pagel-Vergussmörtel auf mineralischer Basis verwendet werden. Auch hier sind zunächst die Untergrundflächen von Zementschlämme etc. zu reinigen und ausreichend mattfeucht vorzuwässern. Nach dem unterbrechungsfreien Vergießen ist der Dichtmörtel gegen vorzeitiges Austrocknen zu schützen. Als letzte bauphysikalische Maßnahme wurden die PVC-Rohrauslässe aus hygienischen Gründen zum Abdeckrahmen hin konisch auslaufend mit Epoxydharzmörtel anmodelliert.
Hydraulischer Farbtest
Sämtliche Reinwassereinläufe DN 65 und Rohrwasserausläufe DN 80 haben Ebro-Absperrklappen zu hydraulischem Abgleich. Die neue Verrohrung der Beckenein- und Beckenausläufe DN 65 bis DN 200 besteht aus kostengünstigem PVC-Werkstoff. Bei den Übergangsrohranschlüssen DN 200 von Polyvinylchlorid (PVC) an das vorhandene Polypropylen (PP)-System wurde ganz bewusst auf kosten- und zeitaufwendige Kunststoffschweißungen verzichtet und wurden stattdessen einfach zu montierende Spezial- Spannmanschetten aus Edelstahl verwendet. Nach der Beckenfüllung zeigten sich lediglich bei drei Rohrdurchführungen Durchfeuchtungen. Diese haben sich jedoch durch die Selbstheilungskräfte des Spezialmörtels in Verbindung mit dem Waterstop-Quellband erwartungsgemäß nach ca. einer Woche von selbst abgedichtet. Zur Überprüfung der Beckenhydraulik wurde eine 1 %-ige Eriochromschwarz T Suspension der Firma Merk (100g Farbstoff auf ca. 100 Liter Wasser) in das „chlorfreie" Beckenwasser dosiert. Pro 100 m 3 Beckenwasser rechnet man mit ca. 30 g Farbstoff. Innerhalb von ca. 8 bis 10 Minuten hatte sich das Beckenwasser gleichmäßig tief dunkelblau verfärbt. Dieser optische Nachweis dokumentiert in eindrucksvoller Weise die optimale Hydraulik im kombinierten Schwimmerund Springerbecken, obwohl es sich hierbei, wie eingangs erwähnt, um eine bädertechnisch nicht normkonforme Beckendurchströmung handelt. Im so genannten Negativtest wurde dem Beckenwasser Chlordesinfektionsmittel zugegeben und anhand der Farbzehrung nochmals die funktionierende Beckendurchströmung visuell demonstriert. Die deutsche Schwimmbadnorm enthält zwar keine maximalen Zeitvorgaben hinsichtlich einer vollständigen Farbeinmischung im Beckenwasser. Dafür fordert beispielsweise unser EU-Nachbarland Österreich in seiner Ö-Norm M 6216 Ausgabe 200-07-01 eine gleichmäßige Verfärbungszeit von max. 10 Minuten bei einer Beckentiefe bis 1,35 m und 15 Minuten bei einer Beckentiefe über 1,35 m . Dieselben Zeiten gelten auch für die Entfärbung im so genannten Negatiwerfahren mittels Chlordosierung, wobei der Chlorgehalt gemäß der vorstehenden Ö-Norm in etwa 5 mg je Liter betragen soll.
Haariger Situationsbefund
Abschließend sei noch auf einen wie ich meine äußerst haarigen Sanierungsbefund hingewiesen: Die jeweils vor den einzelnen Reinwassereinläufen installierten alten Drossel-Regulierklappen waren aufgrund des jahrzehntelangen Betriebes nicht nur im Gehäuseinneren total von Rost zerfressen, sondern an den Wellen der Klappen hatten sich diverse ekelerregende Haarbüschel verfangen. Wie diese unappetitliche Haarpracht über den gefilterten Reinwasserstrom dorthin gelangen konnte, ist und bleibt wohl für immer ein Geheimnis der normkonformen Hochschicht-Schwimmbadfilter nach DIN 19605/19643. Bekanntermaßen gibt es proaktive Hygieneweißkittel, die bis in die Haarspitzen motiviert permanent auf der Pirsch nach irgendwelchen Keimfitness- Brutstätten sind, um jede sich bietende Gelegenheit gnadenlos zur ultimativen Panikmache zu nutzen. Daher wurde augenzwinkernd im Sinne der Schwimmbadbranche ganz bewusst auf gerade in Mode kommende haarspaltende Genanalysen verzichtet. Andernfalls wäre zu befürchten, dass die inzwischen glücklicherweise ausgestandene, überaus unsägliche Kopfpräser-Diskussion (Badekappenzwang) von den oben genannten Herren Merkwürden wieder mit an den Haaren herbeigezogenen Hygieneargumenten reaktiviert wird.
Unrealistische Wartungskriterien
Die Weisheit „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" gilt zweifelsohne auch für die Schwimmbadtechnik. Nur muss man nicht immer nach dem gleichen Muster vorgehen und alles, was in einer DIN steht, auch postwendend normhörig umsetzen. Wie überall im Leben sollte man auch hier etwas relativieren, denn die Wartung muss sowohl realisierbar als auch praktikabel sein, d.h. im Kosten-Nutzen-Verhältnis stehen. Andernfalls verkommt diese Art vorbeugender Schadensbegrenzung zum kostentreibenden Selbstzweck. Die Beitragsschilderungen aus der Praxis zeigen sehr eindrucksvoll, dass einige in der Schwimmbadnorm DIN19643 genannten Forderungen völlig unrealistisch sind. Im Normteil 1 heißt es z. B. unter dem Absatz 10.9 „Überwachung des Korrosionsschutzes" wörtlich: Der Korrosionsschutz muss vom Anlagenbetreiber jährlich geprüft werden. Oder als weiteres Beispiel werden im Abschnitt 13.6.4„Wartung und vorbeugende Instandhaltung" folgende Forderungen ultimativ erhoben: Wartung aller Maschinen und Apparate (Pumpen, Gebläse, Wärmeüberträger) und Armaturen nach Herstellerangaben; Kontrolle der Anlagenteile auf Verschleiß- und Korrosionserscheinungen. Die vorstehenden Forderungen lassen sich bei Anlagenkomponenten, die in einem Rohrsystem eingebaut sind, wie z. B. in der geschilderten Sanierung, wenn, dann nur mit unverhältnismäßigem Aufwand realisieren. In der Regel kommt daher auch kein Anlagenbetreiber auf die glorreiche Idee, die Normforderungen unter der beschriebenen Bausituation tatsächlich in die Praxis umzusetzen. Dieses sei abschließend zur Ehrenrettung von Schwimmbadbetreibern angemerkt, die nicht nach der Badesaison zwecks Wartung bzw. Korrosionskontrolle die gesamte Bädertechnik akribisch in all ihre Einzelteile zerlegen.
Christoph Saunus
Sanitär + Heizungstechnik 9/2003